Maus als Tiermodell

10.09.2013 / 23.08.2016 aktualisiert

Wissenschaftliche und Ethische Konsequenzen vom „Tiermodell Maus“

Die Maus ist ein kleines Säugetier, das gerne als Tiermodell in Experimenten der Biologie, Medizin oder Psychologie benutzt wird, da sie einfach zu erhalten und zu handhaben ist.
Weltweit werden von der Industrie und Wissenschaftlern Milliarden an Mäusen gezüchtet und verbraucht. Es ist eine milliardenschwere Industrie und ein einzelner Mäusezüchter und Händler „The Jackson Laboratory“ in den USA hat im Jahr 2012 einen Umsatz von 229,6 Millionen Dollar gemacht. Die Maus wurde ein Werkzeug für wissenschaftlichen Ruhm und ein Schnellgenerator für Veröffentlichungen. Das System befeuert sich selbst und der gewöhnlichen Bevölkerung wird erzählt, dass wir dies für den Fortschritt der Menschheit tun müssten.

Mäuse sind sehr soziale und mitfühlende Tiere. Vielleicht haben Sie schon von der Maus im Zoo von Hangzhou gehört, die eine Schlange attackiert hatte, um ihren Freund zu retten. Auch kann Ihnen jeder Laborant erzählen, dass jede Maus einen unterschiedlichen Charakter hat. Einige Mäuse entwickeln Symptome die der menschlichen Depression gleichen. Dies wird sogar als eine Tatsache von Wissenschaftlern angesehen und für Studien der Depression benutzt. In vielen Studien wird nicht vergessen, eine Beziehung zu menschlichen Krankheiten herzustellen. Dafür gibt es von den Regierungen am meisten Geld und der gewöhnliche Bürger versteht den Grund, warum Mäuse geopfert werden sollen.

Der ETH Professor und Philosoph Michael Hampe schreibt dazu:

Wenn Sie zeigen können, dass hungernde Mäuse länger leben und Sie bewerben es damit, dass eine verringerte Kalorienaufnahme zu einem längeren Leben führt, idealisieren Sie ihr Wissen. Ein Ergebnis, das nur auf Mäuse zurück zu führen ist, ist weniger spektakulär, als es auf alle Lebewesen, inklusive dem Menschen zu beziehen. Wissenschaftler in einer Wettbewerbssituation könnten diese Überbewertung benutzen, um mehr Geld zu bekommen.“

If you can show that starving mice live longer and advertise that the reduction of calories leads to a longer life, you ideologize your knowledge. As a result in research that applies only to mice is less spectacular than one referring to all living creatures, including humans, scientists in a competitive situation might use this overstatement to get more money (Science on the Market: What Does Competition Do to Research? Michael Hampe)

Die meisten Menschen verstehen die wirkliche Bedeutung von wissenschaftlichen Veröffentlichungen nicht und um ehrlich zu sein: Wir wollen es nicht lesen.
Deshalb will ich hier einen kleinen Einblick verschaffen was den Mäusen angetan wird und warum. Dafür habe ich 65 wissenschaftliche Veröffentlichungen aus dem Jahr 2013 von zwei renommierten Universitäten, der Harvard Universität in Cambridge und der ETH Zürich analysiert.

Ergebnisse

Zuerst will ich noch einmal festhalten, dass hier nur ein ganz kleiner Anteil der Versuche dargestellt wird. Wenn zur selben Zeit in Google Scholar für nur das Jahr 2013 der Suchbegriff „mice“ eingegeben wurde, wurden 32800 Resultate angezeigt. Wir sprechen hier über 65 wissenschaftliche Veröffentlichungen. Dies ist auch der Grund, dass hier keine Anzahl der verbrauchten Mäuse, noch Gelder diskutiert werden.
Erstaunlicher Weise waren relativ wenig Veröffentlichungen über die Krebsforschung oder über einen Ansatz, eine Krankheit bei Menschen zu heilen. Einige Studien waren aussergewöhnlich brutal und unsinnig wie *1, 2, 3 oder 4. In 3 war gar keine neue Erkenntnis vorhanden, alles was getan wurde, war andere Experimente zu wiederholen und dabei die Folterzeiten der Maus zu verlängern.Es wurde „Langzeiteffekt“ genannt und es wird diskutiert, dass viele Mäuse während des Experiments „verloren“ wurden. Ein anderes sehr brutales Experiment ist in 4, ein sogenanntes Verbrennungsexperiment.

Eine sehr sinnlose Veröffentlichung ist 5, in der das Zusammenspiel von Umweltfaktoren und psychischen Störungen in Mäusen diskutiert wird. Abgesehen von der Tatsache, dass es absolut nicht klar ist, warum die Menschheit ein Stressprotokoll für Mäuse braucht, hat ein Kollege der Forscher geschrieben, dass die Statistik die angewendet wurde unangebracht und fehlerhaft sei:

Giovanoli et al. provided a detailed description of their methods (statistical test used, sample size per group, and degrees of freedom), which makes it clear that the analyses were inappropriate. Comment on “Stress in Puberty Unmasks Latent Neuropathological Consequences of Prenatal Immune Activation in Mice” by Stanley E. Lazic.

Abgesehen von aller unnötigen Brutalität, was ist mit den Veröffentlichungen über Krebs im Zusammenhang mit einer Heilung? Ja, es gibt einige sehr gute Annäherungen wie in Studie 6. Hier hat die Gruppe von Professor Detmar Blasenkrebs Zellen untersucht und mit gesunden Zellen verglichen. Die Gruppe hat sehr interessante und gute Ergebnisse im Zusammenhang mit Blasenkrebs produziert. Aber ein Großteil der Studie war mit menschlichen Patienten und deren Zellen, nicht mit Mäusen. Warum haben sie überhaupt Mäuse benutzt? Sie haben Mäuse benutzt, um einige Ergebnisse in vivo bei der Maus zu bestätigen. Warum wurden die zusätzlichen Experimente gemacht? Weil sie ihre Ergebnisse bei einem Verlag mit hohem „Impact Factor“ veröffentlichen wollten, deshalb mussten Mäuse geopfert werden.

Eine einfache und häufige Methode, um Veröffentlichungen zu produzieren, sind Experimente mit tödlichen Dosen einer beliebigen Chemikalie. Damit alles etwas anspruchsvoller aussieht, kann man es wie in 7 machen.

Hier werden Fütterungseffekte im Kontext mit einer Paracetamol Vergiftung durchgeführt. Ähnliche Experimente sind die Züchtung von verschiedenen, so genannten „Knock-out“ Mäusestämmen. Hierbei werden ein oder mehrere Gene ausgeschaltet und dann analysiert, was passiert. Gute Beispiele hierfür sind 8, 9, 10 oder  11.

Obwohl alle Wissenschaftler wissen, dass jeder Mensch und jede Maus vollkommen unterschiedlich sind ( 12 „Because neither all humans nor mice harbor the same bacterial strains“), werden die Versuche trotzdem in Mäusen gemacht und es wird von „menschlichen“ Mäusen (humanized mice 13) geredet.

In einigen Veröffentlichungen ist der Sinn der Versuche absolut unklar, wie in 14. Hier wurden menschliche Gene in Mäuse eingeschleust und dort überexprimiert. Als Resultat kam man unter anderem zu der für „Cell“ wohl sehr wichtigen Erkenntniss, dass die Mäusehaare dicker wurden. In der selben Veröffentlichung wird behauptet, dass „die Labormaus ein etabliertes Werkzeug für das Verständnis pathologischer Varianten im menschlichen Genom“ sei.

Überraschenderweise wurde in einer Studie über das Wohlbefinden der Mäuse nachgedacht. Weil Mäuse sich nach dem implantieren von Transpondern nicht mehr normal verhalten können, wurde eine neue Methode vorgestellt (15). In einer Studie wird sich massiv über die IACUC (The Institutional Animal Care and Use Committee) beklagt, weil diese einen Standard-Ansatz nicht genehmigen wollten (16). Dies gibt Hoffnung für die Zukunft.

Diskussion

Ist es ein Fortschritt Mäuse als Tiermodell für Menschen einzusetzen? Heute sind wir in der Lage, menschliche Haut im großen Maßstab herzustellen. Es gibt menschliche Gewebekultur und die sogenannte 3-D Zellkultur. Leider kommt gerade die 3-D Zellkultur nicht richtig vorwärts, weil es viel einfacher ist, Mäuse zu benutzen. Natürlich ist es einfacher alte, eingefahrene und bewährte Protokolle immer wieder zu benutzen, anstatt das eigene Gehirn anzustrengen und neue Ideen zu entwickeln. Ist es unseren Wissenschaftlern zu schwierig, über neue Methoden nachzudenken ohne Tiere zu quälen? Eine Maus ist nicht menschlich und wird nie ein Mensch werden. Es gibt Medizin für Mäuse, Medizin für Hunde, Medizin für eine Sonnenblume und es gibt Medizin für Menschen. Eine Maus ist eine Maus und verdient Respekt als Maus. Es ist Zeit für die führenden Wissenschaftler nach vorne zu treten in Richtung Fortschritt und Zukunft.

Heute benutzen junge Wissenschaftler Tiere und morgen Menschen in klinischen Studien. Wir wissen aus der Geschichte von vielen nicht ethischen Experimenten mit Menschen. Und nicht nur aus der Vergangenheit, es geht heute so weiter weiter in Indien und in halb Asien, Afrika und Südamerika von AstraZeneca, Bayer, Pfizer, PPD, Bristol-Myers Squibb, Amgen, Eli Lilly, Quintiles, Merck KGaA, Sanofi-Aventis und Wyeth.

Auf Wikipedia gibt es eine Liste der bis heute aufgedeckten unethischen klinische Studien:

http://en.wikipedia.org/wiki/Human_subject_research

Wir wissen heute, dass die meisten Mörder, Vergewaltiger und Kinderschänder ihre Karriere als Tierquäler angefangen haben. (Child abuse, domestic violence, and animal abuse: Linking the circles of compassion for prevention and intervention. FR Ascione, F Arkow – 1999)

Dies heißt aber nicht, dass junge Wissenschaftler die Mäuse als ein Werkzeug benutzen automatisch unethische Experimente durchführen werden. Sie führen nur den ersten Schritt durch, indem sie Grausamkeit an Mäusen zum Fortkommen in ihrer Karriere akzeptieren.

Methoden

Um einen kleinen Einblick zu erhalten, habe ich im Juli 2013 mit Google Scholar eine Suche unter den Stichworten „mice ETH Zürich“ oder „mice Harvard“ unter Einschränkung für das Jahr 2013 durchgeführt. Weil viele Zeitschriften exklusiv für die Verlage lizensiert sind, wurde in der Tabelle auf die Zusammenfassung verzichtet. Die Veröffentlichungen wurden mit NCBI PubMed analysiert und das ist auch, wohin der interessierte Leser weiterverwiesen wird. In der Spalte „Mäuse benutzt“ können Sie eine kurze Zusammenfassung der angewandten Methoden finden. Die Spalte mit „Impact“ gibt das für den Wissenschaftler wichtigste Kriterium an: Viele hohe Zahlen entsprechen viel Ruhm, Ehre und Geld.

*Die grünen Nummern 1-16 finden Sie in der ersten Spalte der Tabelle.

Hier gehts zur Tabelle

tablehier gibts die ganze PDF zum runterladen oder ausdrucken

doc

 

 

 

Wer eine Auswahl an aktuellen Studien in Deutschland mit Tieren sucht sei auf die Datenbank Tierversuche verwiesen:

datenbank

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ÄgT

Ein Film von Ärzte gegen Tierversuche über den Unsinn Tierversuch

http://www.aerzte-gegen-tierversuche.de

Hier ein sehr guter Film der aber nur von Versuchsbefürwortern oder Menschen mit sehr starken Nerven geschaut werden sollte: http://www.youtube.com/watch?v=bq4wvgBBdy4

 

Der Text und Abbildungen dürfen unter den Bedingungen der Creative Commons Attribution Share-Alike license (CC-BY-SA) gerne ganz oder teilweise kopiert und zitiert werden.

2 thoughts on “Maus als Tiermodell

  1. Evelyn Kuttig

    Meine Hochachtung für diese fundierte Sammlung von Hintergrundinformationen und die einleuchtend dargestellten Schlussfolgerungen und herzlichen Dank für die pdf-Datei!

    Reply

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