Juni 2015
Wie beim Menschen gibt es auch bei Hunden unterschiedliche Persönlichkeiten. Der eine ist eher mutig und der andere fürchtet sich vor allem. Bei einem von Geburt an gut sozialisierten Hund dürfte die Angst selten die Oberhand gewinnen. Anders sieht es bei Hunden mit einem sogenannten Deprivationssyndrom aus.
Deprivationssyndrom
Die Deprivation bei Hunden entsteht durch einen Mangel an sozialen Interaktionen und an Umweltreizen in der Kindheit des Hundes. Dieser Mangel kann verschiedene Ursachen haben und bei Hunden von Züchtern ebenso auftreten wie bei Tieren vom Tierschutz. Die meisten Züchter versuchen ihre Tiere sorgfältig, zusammen mit einer gut sozialisierten Mutterhündin, aufzuziehen. Diese Züchter werden aber kaum ein Tier zu Ramschpreisen oder ohne ordentlichen Vertrag abgeben. Aus diesem Grund nenne ich alle anderen einfachheitshalber Vermehrer. Bei Hunden von Vermehrern kann man sich fast sicher sein, einen Hund mit einer Angststörung zu erhalten.
Diese Vermehrerhunde kommen oft aus einer reizarmen Umgebung (Stall oder Keller) und werden viel zu früh vom Muttertier getrennt. Aber auch Hunde von der Strasse, die schlechte Erfahrungen mit den Menschen gemacht haben, können unter dem Deprivationssyndrom leiden, wenn sie dann in eine Familie kommen.
Solange der Hund seine gewohnte Umgebung nicht verlässt, fallen keine Probleme auf. Sobald der Hund aber in eine ungewohnte Umgebung kommt entwickelt er je nach Situation und Charakter ein Angstverhalten.
Umgehen mit Angstverhalten
Zuerst möchte ich an dieser Stelle mit einem Mythos aufräumen, der schon vielen Menschen und Hunden das Leben schwer gemacht hat:
Das Märchen man solle Angst bei Hunden ignorieren.
Eltern im Tierreich beschützen und trösten den Nachwuchs in Angstsituationen. Gute Menscheneltern würden ihr Kind in den Arm nehmen und versuchen ihm die Situation zu erklären.
Der Hund ist ein soziales Lebewesen wie der Mensch. Warum sollte man ihn in mit seiner Angst alleine lassen? Wieso sollte das Ignorieren von Angst diese verschwinden lassen? Ein Hund der mit seiner Angst alleine ist, wird Strategien entwickeln damit auch alleine umzugehen. Wollen wir das?
Wenn wir das nicht wollen, müssen wir erst einmal herausfinden wovor der Hund Angst hat, wie seine Strategie ist und dann seine Strategie bei Angst in eine von uns gewünschte Richtungen lenken.
Was ist Angst?
Alle Lebewesen kennen Angst und die damit verbundenen Reaktionen. Angstreaktionen werden durch das Unterbewusstsein ausgelöst und müssen zum Überleben möglichst schnell erfolgen. In Sekundenbruchteilen kommt es bei Angst zu einer „Fight-or-flight-Reaktion„. Das Gehirn setzt Adrenalin frei und zusätzlich können Hormone wie Cortisol gebildet werden.
Was diese Angstreaktion auslöst kann sehr unterschiedlich sein und bei angstgestörten Hunden sind dies oft unzählige Dinge und Situationen. Wenn man dies ignoriert, werden es immer mehr Situationen. Wollen wir also diese Angstreaktion verhindern, dürfen wir es gar nicht so weit kommen lassen.
Angstreaktion verhindern
Wenn Sie die Gegenstände oder Situationen kennen die bei Ihrem Hund eine Angstreaktion auslösen, meiden Sie diese erst einmal. Sie müssen Ihren Hund nicht in Watte packen, aber wenn Sie merken Ihr Hund fängt nervös an einen Gegenstand zu fixieren, zwingen Sie ihn nicht weiter. Die meisten Hunde können keine Leckerlies mehr annehmen vor Angst. Dies ist ein gutes Zeichen, dass Sie zu weit gegangen sind.
Angst vor Gegenständen oder Örtlichkeiten
Mit der Angst vor unbeweglichen Objekten ist relativ einfach zu üben. Vielleicht möchten Sie sich vorher mit dem Clickertraining vertraut machen. Positives Training bewirkt gerade bei Angsthunden oft Wunder. Mit Gewalt verschwindet keine Angst.
Gehen Sie mit ihrem Hund zu dem Gegenstand, der ihm Angst macht. Reden Sie mit ihm und beobachten Sie den Hund genau. Wenn die Angst zu groß wird, drehen Sie um, bis der Hund sich entspannt. Dann versuchen Sie es erneut, vielleicht können Sie ihr Reden mit Leckerlies unterstreichen. Sobald der Hund zu nervös wird drehen Sie um. Zwingen Sie den Hund zu nichts, auch nicht zum Umkehren. Lassen Sie ihn das Objekt in Ruhe anschauen, wenn er will. Wenn der Hund panisch in die andere Richtung rennt bleiben Sie einfach stehen. Rucken Sie nicht an der Leine und lassen Sie sich nicht vom Hund ziehen. Sobald der Hund nicht mehr zerrt, gehen Sie weiter. Aber nur mit lockerer Leine. Dies erfordert Ausdauer, Zeit und gute Nerven. Deshalb machen Sie diese Übung nur, wenn Sie genügend Zeit und Ruhe haben.
Oft bieten Hunde irgendwann bei dieser Übung verschiede Verhaltensweisen an, wie sie mit der Angst umgehen wollen. Unser Angst-Cody setzt sich gerne auf meinen Fuß und schaut. Dies ist eine Reaktion, die von mir erwünscht ist und wird sofort belohnt.
Diese Übungen müssen über Tage, Wochen oder auch Monate konsequent wiederholt werden. Bei festen Objekten ist dies relativ einfach. Schwieriger wird es mit beweglichen Objekten, die meist viel furchteinflössender sind weil sie oft laut sind und gerne bedrohlich mit den Hunden interagieren.
Angst vor Kindern
Kinder sind nicht nur laut, sondern schauen Hunden auch gerne in die Augen und greifen danach. Für einen Hund der nicht mit Kindern sozialisiert wurde ist dies alles der pure Horror. Falls Sie kleine Kinder haben und einen Hund mit einer Angststörung, möchte ich Ihnen ernsthaft raten sich umgehend mit dem Tierschutz in Verbindung zu setzen. Sie werden es unmöglich schaffen dem Hund und den Kindern gerecht zu werden. Geben Sie den Hund ab. Falls Sie ältere Kinder haben überlegen Sie es sich gemeinsam mit den Kindern, ob Sie das alles schaffen können.
Einen Hund der Angst vor Kindern hat, kann man wohl dosiert an die kleinen Menschen gewöhnen. Lassen Sie die Kinder den Hund am Anfang nicht anschauen, hier bewirkt Nichtbeachtung wahre Wunder. Auch Locken mit Leckerlies ist erst mal keine gute Idee. Hierfür agieren die Kinder viel zu direkt mit dem Hund. Machen Sie ein Spiel, das Kindern und Hund Spaß macht.
Zum Beispiel kann das Kind hinter sich eine Spur aus Futter auslegen. Dabei wendet es sich vom Hund ab, kann ihn füttern und sich irgendwann später sogar suchen lassen. Das Kind kann dem Hund Leckerlies in einer Pappschachtel verpacken (Klopapierrolle, Eierkarton etc.) und dies dann für den Hund hinter sich auf den Boden legen. Durch das Verpacken gewöhnt sich der Hund an den Geruch und bekommt dann eine Belohnung.
Falls Sie selten Besuch von Kindern bekommen, kann es eventuell erst mal reichen, wenn Sie um Kinder einen Bogen machen und Ihren Hund langsam daran gewöhnen wie oben bei den Objekten. Hierzu eignet sich ein Spielplatz hervorragend. Lassen Sie unter keinen Umständen ein Kind ihren Hund streicheln, auch wenn Sie sich ganz sicher sind dass der Hund nicht beisst. Ein Angsthund ist für fremde Menschen nicht zum Anfassen. Es ist ihre Aufgabe ihn davor zu beschützen.
Angst vor Menschen
Hier ist es ähnlich wie bei Kindern. Machen Sie auf der Strasse einen Bogen um Menschen, lassen Sie Fremde nie den Hund anfassen. Zeigen Sie Ihrem Hund, dass Sie ihn beschützen. Besuch sollte ebenso den Hund nicht mit Leckerlies locken. Auch Besuch kann diese hinter sich legen, wenn er gerne füttern will. Direkt interagieren ist für den Hund beängstigend. Deshalb sind Hundehasser bei ängstlichen Hunden sehr beliebt: Sie schauen den Hund nicht direkt an und interessieren sich nicht. Das ist für den Hund weniger furchteinflössend.
Es ist wichtig, dass ein Angsthund einen festen Rückzugsort im Haus hat. Einen Kennel, eine Kiste oder einfach nur unter einer Eckbank. An „seinen“ Ort sollte er jederzeit flüchten können und dort lässt man ihn in Ruhe.
Empfehlungen
Es gibt heute sehr gute Literatur zu diesem Thema und auch einige Hundeschulen die mit Angsthunden arbeiten. Achten Sie auf jeden Fall darauf, dass nicht mit Zwängen oder Strafe gearbeitet wird. Jedwedes Einschüchtern, Erschrecken oder pauschale Problemlösungen sollten vermieden werden. Gehen Sie individuell auf Ihren Hund ein und folgen Sie im Zweifelsfalle Ihrem Bauchgefühl. Sie wollen ja Spaß am Leben mit Ihrem Hund. Sie können das!
„Leben will gelernt sein“ von Wiebke Wagemann und Birgit Laser.
„Die stille Kommunikation der Hunde verstehen“ von Rosie Lowry
„Clickertraining“ von Birgit Laser
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Moin Hannah, zu den Angsthunden gibt es aber auch die der Kuscheltheorie gegenteilige Ansicht aus der Lernpsychologie, die den Stimulus, bspw. der Donner, der die Angst auslöst, durch den Response, das ziemlich direkt folgende Kuscheln, verstärkt, und konditioniert. Das Ganze funktioniert auch unterschwellig genau dann, wenn Frauchen/Herrchen Angst hat vor Gewitter, auch oder weil belegt ist, das Tiere als auch Menschen die Mimik des Frauchens interpretieren können. Daher sollte man die Angst der Tiere zunächst ignorieren, und erst dann Kuscheln, wenn die Gefahr einer Verknüpfung zum Stimulus nicht mehr besteht.
Ich selbst habe das so sehr erfolgreich bei meinen Tieren angewandt.
Hallo, bevor ich mehr von meinem Charli und mir erzähle, möchte ich wissen, ob es hier Hundehalter gibt, die sich mit Schilddrüsenproblemen bei Angsthunden auskennen und dazu sich mit Aminosäuren bzw. Tryptophangaben auskennen. Wenn ja, würde ich gerne mehr von meinem Charli erzählen. MfG Micke