Originalbeitrag vom 15.09.2018
Es ist mir schon länger aufgefallen, dass alle Läuferblogs entweder von Männern geschrieben werden oder von jungen Frauen. Gerade Sportwissenschaftler scheinen fast ausschließlich Männer zu sein. Die paar Mädels die sich in den Gefilden rum treiben, sind meistens top fit, um die 20, höchstens 30 Jahre alt, und orientieren sich leider fast nur an ihren männlichen Kollegen.
Du bist eine Frau in oder nach den Wechseljahren, Dein Körper tickt ganz anders als vor 30 oder 40 Jahren, aber Du willst trotzdem rennen, vielleicht auch mal einen Marathon, dann bist Du hier richtig.
Egal aus welchem Grund Du laufen willst: Tu es! Das ist der beste Anfang. Es ist vollkommen unwichtig was man an hat. Ich bin am Anfang in Jeans und T-Shirt gelaufen. Einfach so, beim spazieren gehen bisschen gerannt, immer öfters, immer länger, wie ich wollte. Am liebsten, wenn mich keiner gesehen hat. Es erfordert nämlich doch etwas Selbstbewusstsein als ältere Frau in fancy Sportbekleidung durch Stadt oder Dorf zu rennen.
Also am besten man besorgt sich für den Anfang nur gute Laufschuhe, der Rest ist erst mal egal. Dann sollte man beim rennen nur zwei ganz wichtige Punkte befolgen:
- Niemals die Beine durchstrecken, das geht nur auf die alten Knochen und das Knie. Also auf Muskeln rennen. Selbst wenn da wenig ist.
- Die Füße so hoch wir möglich. Das ist wichtiger als schnell. Niemals anfangen zu schlurfen, immer hoch die Knie!
Dann, ums so älter die Frau, umso härter der Boden. Das ist zwar physikalisch nicht korrekt, aber jede spürt was ich meine. Überhaupt Gespür. Also immer auf den Körper achten und nicht dagegen anrennen, nur gegen den inneren Schweinehund.
Ich persönlich mag keine Termine, aber wenn Du Spaß an Geselligkeit hast und Dich das besser motiviert, suche Dir eine Laufgruppe in der Nähe. Ich rede gerne mit den Menschen die ich unterwegs treffe und habe schon sehr viele nette Bekanntschaften gemacht. Da ich oft einen Hund dabei habe ist das auch einfach, aber auch Radfahrer und Reiter sind meist sehr nett. Klar, wirst Du immer mal Menschen mit schlechter Laune treffen. Wir sind keine junge Mädchen mehr und die Zeiten in denen wir das männliche Imponiergehabe zu ertragen hatten, sind zum Glück vorbei. Allerdings reizt eine reife Frau so manchen Zeitgenossen seine Misogynie oder schlechte Laune mal spontan auszuüben. Deshalb ist es gut für Deine Laune Dir vorher eine Reaktion zurecht zu legen. Ich werde hier kurz darlegen was meine Strategie gegen misogyne, dumme und böse Menschen ist. Dies verhindert zwar nicht bösartige Menschen, aber sie bewirkt, dass Du nicht mit hinein gezogen wirst in den Strudel der Misanthropie.
Strategie des Hinschauen und Ignorierens
Wenn man unterwegs von jemandem dumm angemacht wird, trifft einen das meistens wie ein Blitzschlag. Zuerst versteht man gar nicht was los ist, dann kapiert man es langsam, reagiert irgendwie und später ärgert man sich über seine Reaktion. Womöglich steckt der Ärger so tief, dass der nächste Mensch der die gleichen Symbole bei sich hat (z.B. ein Fahrrad, eine Brille, rote Haare, Bart etc.) völlig unschuldig den Ärger ab bekommt. Damit tragen wir die schlechte Laune weiter und werden selber griesgrämig.
Zuerst mal, behandelt alle fremden Menschen sofort wie Freunde. Wenn der Bauer mit dem Traktor kommt, geht möglichst weit aus dem Weg und grüßt freundlich. Ja, man kann dem Bauern winken, er freut sich. Bedenkt, der Bauer ist im Arbeitsmodus und sieht euch im Freizeitmodus. Er hat es eilig. Wenn ihr ihm Platz macht und freundlich winkt, fühlt er sich wertgeschätzt. An der nächsten Joggerin wird er nicht missmutig vorbei donnern.
Klar es gibt Rückschläge. Ich wollte mal eine ältere Dame mit Beaglehündin freundlich grüßen. Schaue ihr ins Gesicht , lache und holte gerade Luft, da schreit sie mich an: „Das ist nicht lustig“. O.k. Ich habe die Dame nicht gegrüßt, mir ihr Gesicht gemerkt und sie nie wieder gegrüßt. Sie ist keine Fremde mehr. Sie ist die alte Dame, die ich ignoriere. Eine fremde Dame mit Beagle werde ich wieder freundlich grüßen und vielleicht mit ihr reden.
Diese Strategie habe ich mir überlegt, als in einem Frühjahr auf einmal zwei unhöfliche Radfahrer unterwegs waren. Der erste brüllte mir spontan ins Gesicht „Scheiß Köter“ – obwohl mein Hund etwa drei Meter neben dem Weg durchs Gras lief. Ein zweiter fuhr auf dem Fußweg mittig mit dem Rad und sagte mir „verpiss Dich“ – in dem Fall war mein Hund sogar an der Leine – er meinte wohl auch mich, die blöde Joggerin. Kurz später kam der dritte Radfahrer. Ich gucke ihn böse an in Erwartung einer neuen Beleidigung und laufe mitten auf dem Weg. Der Mensch hält an, grüßt freundlich und wir plaudern kurz über das schöne Wetter. Danach ärgerte ich mich über meine Unhöflichkeit. Ich hatte meinen Ärger auf alle Fahrradfahrer übertragen. So entstehen Vorurteile.
Da habe ich mir meine Strategie des Hinschauens und Ignorierens überlegt. Sie ist im Prinzip einfach.
- Alle Fremde werden wie Freunde behandelt. Ich lache, grüße sie und rede mit ihnen.
- Falls eine Beleidigung kommt, schaue ich dem Menschen direkt ins Gesicht. Ich merke mir seine Fresse. Schaue ganz genau hin. In die bösen Augen, seine Nase, sein Gesicht. Ich präge mir den bösen Menschen ein, nicht das womit man ihn zu irgend etwas zuordnen kann. Nur diesen einen speziellen Menschen. Dieser eine Mensch wird in die Schublade der bösen Menschen gelegt. In die Schublade kommt nur er, keine Gruppe Menschen die ähnlich sind. Das ist schwierig, aber nicht unlösbar.
- Es ist wichtig nichts zu sagen. Mit dummen Menschen redet man nicht. Man schaut hin ja, aber man redet nicht damit. Es ist sinnlos und treibt einen nur mit in den Strudel. Laßt ihn reden, aber schaut hin. Ganz genau. Das schöne daran ist, dass ihn das auch noch ärgert, Euer Schauen und nicht Reagieren. Denkt euch „Mit Idioten rede ich nicht“ und geht weiter. Dann lacht und seid zum nächsten Menschen wieder nett. Er sieht ganz anders aus und ist sicher eine wertvolle Bekanntschaft.
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