Phagen bei Feuerbrand

26.12.2013

Feuerbrand wird durch Bakterien namens Erwinia amylovora verursacht und befällt vor allem Kernobst.  Erwinia amylovora gehört zu der Familie der Enterobakterien und die einzigen Mittel die diese Bakterien zuverlässig vernichten können, sind Antibiotika wie Streptomycin, Oxytetracyclin und Gentamycin.

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Apfelbaum mit Feuerbrand

Je nach Witterung während der Blütezeit kann Feuerbrand ganze Bäume und Obstplantagen innerhalb kürzester Zeit zerstören.

Aus diesem Grund werden seit den späten 1950er Jahren bis heute tonnenweise Streptomycin unter dem Handelsnamen “Plantomycin” in den Obstplantagen versprüht – mit unerforschten Auswirkungen auf die Flora und Fauna. Hier ein Spiegel Artikel von 2001 dazu.

Laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) liegt keine Zulassung für Antibiotika im Obstbau in Deutschland vor (zugelassene Pflanzenschutzmittel. Liste vom April 2014). Trotzdem gab es eine Reihe von Ausnahmegenehmigungen für die Anwendung von streptomycinhaltigen Pflanzenschutzmittel im gewerblichen Obstbau. Hierfür muss in Baden-Württemberg ein “Notfallzulassungsantrag nach Art. 53” gestellt werden. Wie oft und über welche Menge diese Anträge genehmigt werden und wurden wird nicht kommuniziert.

Die einzige Berufsgruppe, die mit diesem Antibiotikamissbrauch direkt zu tun hat, sind die Imker.

Biene

 

Seit dem 1. September 2008 gelten in der EU einheitliche Rückstandshöchstgehalte für Streptomycin in Honig von 10 μg/kg.  Deshalb wird den Imkern nach Einsatz eines streptomycinhaltigen Pflanzenschutzmittels im Erwerbsobstbau dringend angeraten ihren Honig beproben zu lassen. Nichtverkehrsfähiger Honig wird aufgekauft und entsorgt (4).

 

 

Hummel

Aus obigen Auszug (4) der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft lässt sich schiessen, dass in Deutschland, im Gegensatz zu der Schweiz, der Honig nicht immer auf Rückstände untersucht wird. Aus diesem Grund gibt es aus der Schweiz wohl auch einige Berichte mehr über Streptomycin im Honig. So mussten 2011 allein im Thurgau neun Tonnen Honig wegen zu hohem Antibiotikagehalt vernichtet werden (2).

Ebenso müssen jedes Jahr mehrere Tonnen Honig aus der Bodensee Region wegen zu hoher Antibiotika Belastung in Biogasanlagen vernichtet werden.

Der Landesverband Erwerbsobstbau zahlt den Imkern die Entschädigung, bekommt aber vom Land die Hälfte des Betrags zurück (5).

 

Mycobacterium tuberculosis . Aufnahme mit dem Elektronenmikroskop von NIAID 

 

 

Streptomycin wird auch bei Tuberkulose (Mycobacterium tuberculosis), Pest (Yersinia pestis) und bakterieller Endokarditis (Staphylococcus aureus, Streptococcus, Enterococcus) eingesetzt und soll Menschen heilen.

 

 

 

 

Alternativen zu Antibiotika 

Im Jahre 2007 tauchten im Internet Berichte von einem Simon Wechselberger auf, dass er ein Mittel gegen Feuerbrand gefunden hätte. Dieses Mittel “Feubra” bestand wohl vor allem aus Wasser und Kompostmaterial. Aus diesem Grund wurde das Mittel, sowie der Erfinder als “Scharlatan” beschimpft und vor dem Produkt gewarnt (3).

Meiner Meinung nach, hatte Herr Wechselberger zeitweise Glück mit seinem Kompost und konnte in seinem Wasser eine sehr effektive Phagenmischung anbieten. Da leider das Wissen dazu fehlte und die Qualität aus dem Grund sehr unterschiedlich war, musste er mit seiner Erfindung scheitern.

Phagen gegen Feuerbrand

Die Idee Phagen gegen Feuerbrand einzusetzen ist alles andere als neu. Das älteste Patent, das ich spontan im Internet gefunden habe, ist von 1978 (David F Ritchie, Michigan State University) und ein aktuelles von Antonio Mazzucchi, Carla Lucchese und Umberto Mazzucchi aus dem Jahr 2013.

PhageInzwischen gibt es unzählige Berichte, Veröffentlichungen und Patente über Phagenanwendungen, dass es wirklich erstaunlich ist, warum es Phagen bis heute nicht in den kommerziellen Obstbau geschafft haben.

Es fehlt auch nicht an wissenschaftlichen Beweisen über den Erfolg einer Behandlung mit Phagen bei Feuerbrand. Eine neuere Veröffentlichung ist in Zusammenarbeit der ETH Zürich, der Agroscope und dem Max Planck Institut für Molekulare Gentik entstanden. Der interessierte Leser sollte sich die Veröffentlichung anschauen, vor allem auch wegen den wunderschönen Elektronenmikrosop Aufnahmen: http://aem.asm.org/content/77/17/5945.full

Die Gruppe beschreibt ausführlich 24 weitere Phagen, die E. amylovora infizieren. In Infektionsversuchen konnte nachgewiesen werden, dass ein ausgewählter “Zwei-Phagen-Cocktail” E. amylovora sehr gut kontrollieren kann (1).  Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse dieser Studie, dass Phagen ein sehr hohes Potenzial für eine Phagen basierte biologischen Bekämpfung von Feuerbrand haben.

Diskussion

Die Gründe warum es Phagen bis heute nicht in den Erwerbsanbau geschafft haben, sind wohl ähnlich wie in der Medizin und wurden schon in meinem Artikel Phagen als Retter bei Antibiotikaresistenzen genannt.

Die reinen marktwirtschaftlichen Aspekte, die bei Antibiotika eine Rolle spielen, treffen noch viel mehr auf die Phagen zu.  Es wird also nur das entwickelt, was viel Geld einbringt. Für die pharmazeutische Industrie bedeutet dies bei Bakteriophagen:

  • Hohe Kosten bei der Entwicklung von spezifischen Phagencocktails.
  • Keine Patente auf einzelne Phagen möglich.
  • Kurze Nutzungsdauer für den Konzern nach der Entwicklung von Phagencocktails, da einfache und billige Reproduzierbarkeit.
  • Auf Dauer kein Gewinn.

 

Phage

 

(1) Novel virulent and broad-host-range Erwinia amylovora bacteriophages reveal a high degree of mosaicism and a relationship to Enterobacteriaceae phages. Born Y, Fieseler L, Marazzi J, Lurz R, Duffy B, Loessner MJ. Appl Environ Microbiol. (2011)

(2) Schweizer Radio und Fernsehen SRF http://www.kassensturz.sf.tv/Nachrichten/Archiv/2012/02/01/Themen/Umwelt-und-Verkehr/Streptomycin-vernichtet-weiter-Honig

(3) Forum namens “Effektive Mikroorganismen” http://www.effektive-mikroorganismen.eu/em-im-garten/265-feuerbrand-vorsicht-vor-scharlatanen.html (2007)

(4) Information der Imker zum Einsatz streptomycinhaltiger Pflanzenschutzmittel zur Bekämpfung des Feuerbranderregers im Erwerbsobstbau in Bayern. Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
Institut für Pflanzenschutz. (2013)

(5) Neun Tonnen Honig mit Antibiotikum belastet. PETRA WALHEIM. Tageblatt vom 19.08.2011 (2011)

 

 

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